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  Erinnern an die Wahrheit über Vietnam

Robert C. Koehler

 

„Von Ia Drang bis Khe Sanh, von Hue bis Saigon und die zahllosen Dörfer dazwischen stießen sie vor durch Dschungel und Reisfelder, Hitze und Monsun, und kämpften heldenhaft für die Ideale, die uns als Amerikanern lieb und teuer sind. Durch mehr als ein Jahrzehnt des Kampfes in der Luft, auf dem Land und im Meer haben diese stolzen Amerikaner die höchsten Traditionen unserer Streitkräfte aufrecht erhalten."

OK, ich hab's verstanden. Die Soldaten leiden, die Soldaten sterben in den Kriegen, die wir führen, und der Oberbefehlshaber muss gelegentlich auf ihren Gräbern mit Klischees aufwarten.

Die Worte sind die Barack Obamas, der vor mehr als fünf Jahren mit einer Deklaration zum Memorial Day ein 13-jähriges Projekt zur Erinnerung an den Vietnamkrieg ankündigte, für das offenbar etwa 65 Millionen Dollar bereitgestellt wurden.

Die Veteranen für Frieden nennen es das Geld, das für die Neuschreibung der Geschichte vorgesehen ist, und haben eine Gegenkampagne mit dem Namen Full Disclosure (völlige Offenlegung) gestartet, deren Notwendigkeit deutlicher denn je ist, wenn man bedenkt, dass es fast keinen politischen Widerstand gegen das entfesselte amerikanische Imperium und seinen endlosen Krieg gegen den Terror gibt.

Gerade vor kurzem stimmten zum Beispiel 89 Senatoren still und leise für die Annahme des nationalen Verteidigungsermächtigungsgesetzes für 2018, das ein Verteidigungsbudget in Höhe von $700 Milliarden absegnet, das die jährlichen Militärausgaben um $80 Milliarden aufstockt und, wie Common Dreams berichtete, „eine größere Geldsumme in den Militäretat bringen wird als sogar Präsident Donald Trump vorgesehen hat, während es auch die Produktion von 94 F-35 Kampfflugzeugen genehmigt, zwei Dutzend mehr, als das Pentagon angesucht hat.

Und natürlich gibt es hier keine Kontroverse, kein Mediengeschrei, das wissen will, woher das Geld kommt. „Geld für den Krieg ist einfach da. Wie die Gezeiten", twitterte Adam Johnson von FAIR, wie von Common Dreams zitiert.

Oh stille Profite! Die Full Disclosure Kampagne reißt die Lügen weg, die Amerikas Kriege weitergehen lassen: GIs, die durch Dschungel und Reisfelder trampeln, um die Ideale zu schützen, die wir lieb haben. Diese Worte richten sich nicht an die Menschen, die Obama ins Amt brachten, die das im Glauben taten, dass er die Bush-Kriege beenden würde. Die Tatsache, dass er sie weiterführte, verspottet den „Wert", den wir Demokratie nennen, macht diese in Wirklichkeit zu einer hohlen Schale.

Die US-Luftwaffe hat zwischen 1964 und 1973 über 6 Millionen Tonnen Bomben und andere Kampfmittel auf Vietnam, Laos und Kambodscha abgeworfen, mehr als sie im Zweiten Weltkrieg verbraucht hat, stellt Howard Machtinger auf der Full Disclosure Website fest. Und mehr als 19 Millionen Gallonen giftiger Chemikalien, darunter das berüchtigte Agent Orange, wurden auf die ländlichen Gebiete Vietnams geschüttet.

„Genaue Schätzungen sind schwer zu bekommen", schreibt er, „aber bis zu drei Millionen Vietnamesen wurden wahrscheinlich getötet, darunter zwei Millionen Zivilisten, Hunderttausende wurden schwer verletzt und behindert, es gab Millionen von Binnenflüchtlingen, Ackerland und Wälder wurden zerstört: es war eine unglaubliche Zerstörung - physische, ökologische, institutionelle und psychologische. Der Begriff Ökozid wurde geprägt, um die Zerstörung der vietnamesischen Landschaft festzumachen."

Und: „Alle Vietnamesen wurden selbstverständlich als ‚Gooks' bezeichnet, so dass die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, die im Laufe der Kriegsführung im 20. Jahrhundert untergraben worden war, praktisch verschwunden ist."

Und dann gab es die Auswirkung des Krieges auf die Soldaten, die ihn kämpften und den „moralischen Schaden", den so viele erlitten haben: „Bis zum heutigen Tag," schreibt Machtinger, „reichen Schätzungen der Zahl der Selbstmorde von Veteranen von mindestens 9.000 bis 150.000, letztere Zahl fast das Dreifache der US-Toten während des tatsächlichen Konflikts.“

Also halte ich inne inmitten dieser Zahlen, dieser Daten, und lasse die Worte und Erinnerungen über mich hereinbrechen: Agent Orange, Napalm, Gook, My Lai. Solche Worte verbinden sich nur mit schrecklicher Ironie zu den Klischees der Proklamation Obamas: feierliche Ehrfurcht ... Ehre ... Köpfe hochgehalten ... die Ideale, die uns lieb und teuer sind ...

Die erste Reihe dieser Worte machte einen riesigen Teil der amerikanischen Öffentlichkeit krank und verursachte den Horror des „Vietnam-Syndroms", das den militärisch-industriellen Komplex für anderthalb Jahrzehnte lähmte und entmannte. Langsam definierten die wieder gruppierten Kräfte neu, wie wir unsere Kriege austragen: ohne weitverbreitete nationale Opfer oder eine allgemeine Wehrpflicht; mit intelligenten Bomben und mit einer noch intelligenteren Öffentlichkeitsarbeit, welche sicherstellt, dass der größte Teil der amerikanischen Öffentlichkeit sich in der Bequemlichkeit ihrer Wohnzimmer ansehen kann, wie sauber und leistungsfähig unsere Kriege sind.

Notwendig war auch die Marginalisierung der Antikriegsstimmen, die den Vietnamkrieg zum Stillstand brachten. Dies wurde politisch erreicht, beginnend mit der Übergabe der Demokratischen Partei an ihre militärisch-industriellen Geldgeber nach George McGovern's Präsidentschaftskampagne 1972. Schließlich wurde der endlose Krieg zur neuen Normalität, und es wurde zu einer Priorität, die Schande unserer „Niederlage" in Vietnam aus der historischen Bilanz zu streichen.

Die Full Disclosure Kampagne sagt: Auf keinen Fall. Ein Aspekt dieser Kampagne ist eine interaktive Ausstellung des Massakers von My Lai 1968, bei dem amerikanische Soldaten mehr als 500 Dorfbewohner einkreisten und töteten. Die Ausstellung wurde von der Chicagoer Sektion von Vets for Peace kreiert, die darauf hofft, genug Geld zu sammeln, um mit ihr eine landesweite Tournee unternehmen zu können, um das öffentliche Bewusstsein für die Realität des Krieges wiederzubeleben.

Ein Stück dieser Realität findet sich in einem Artikel im New Yorker, der 2015 von Seymour Hersh geschrieben wurde, dem Reporter, der die Geschichte vor viereinhalb Jahrzehnten an die Öffentlichkeit gebracht hat. In dem Artikel beschreibt Hersh noch einmal die Geschichte eines der teilnehmenden GIs in My Lai, Paul Meadlo:

Nachdem ihm (Lt. William) Calley gesagt hatte, er solle „sich um diese Gruppe kümmern, erzählte ein Soldat der Kompanie Charlie, ‚spielten Meadlo und ein anderer Soldat tatsächlich mit den Kindern und sagten den Leuten, wo sie sich hinsetzen sollten, und gaben den Kindern Süßigkeiten.' Als Calley zurückkam und sagte, er wolle sie tot haben, sagte der Soldat: ‚Meadlo sah ihn an, als könne er es nicht glauben. Er sagte: ‚Sie umbringen?’ Als Calley ja sagte, so ein weiterer Soldat, begannen Meadlo und Calley zu schießen. Aber dann fing Meadlo an zu weinen."

Und das ist der Krieg, und das sind unsere Werte, begraben mit den toten Dorfbewohnern in einem Massengrab.

 
     
  Archiv > Artikel von Robert C. Koehler auf antikrieg.com  
  Robert Koehlers Artikel erscheinen auf seiner Website COMMONWONDERS.COM > Artikel  
 
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Über seine Website kann man sein – sehr empfehlenswertes Buch (leider nur in englischer Sprache erhältlich) – bestellen und können auch Spenden abgewickelt werden.

Völlig problemlos funktioniert Spenden über ein Konto bei PayPal (habe ich selbst getestet), wo man nur Bobs e-mail-Adresse - koehlercw@gmail.com - einzugeben braucht und keinerlei Formalitäten erforderlich sind.

 
     
 
Sehen Sie dazu im Archiv:
  John Pilger - V I E T N A M - Psychokrieg gegen die Geschichte
  Ann Jones / Nick Turse - Amerikas Kindersoldaten
  Chase Madar - Guantánamo, Ausnahme oder Regel?
  Glenn Greenwald - Das Verbrechen des “Nicht-Zurück-Schauens”
  Dmitry Orlov - Amerikas Achillesferse
  Neil deMause - New York Times geht nach Baltimore, findet es nur der Mühe wert, mit der Polizei zu sprechen
  Paul Craig Roberts - Privatisierung ist ein Sprungbrett für Korruption, Gleichgültigkeit ist ein Sprungbrett für Krieg
  Susanne Kablitz - Die Magie der Angst
  Debbie Harbeson - Einige tiefer gehende Gedanken zum Krieg
  Oded Na'aman - Die Kontrollstelle
  Glen Ford - Obamas Krieg gegen die Zivilisation
  Jonathan Turley - ‘Wir haben ein paar Leute gefoltert’
  Paul Craig Roberts - Was uns Obama in West Point sagte
  David Swanson - Das Pentagon versucht, aus Verlierern Sieger zu machen
 
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