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  Robin Philpot  
  Ruanda 1994 - die inszenierte Tragödie  
     
  Kapitel 10: Wie wichtig es ist Kanadier zu sein – Carol Off

 

„Imperialisten: Alles ehrenwerte, höfliche, friedliebende, reizende Menschen”

Gustave Flaubert, The Dictionary of Accepted Ideas

 

Carol Offs Essay The Lion, The Fox and the Eagle (Der Löwe, der Fuchs und der Adler) 102 versucht, die Rolle Kanadas und von Kanadiern auf internationaler Ebene im Verlauf der schweren Krisen in Ruanda und Jugoslawien zu analysieren, zu bewerten und zu erklären. Dieser sehr kanadische Zugang zu der Thematik – Kanada versucht immer zu beweisen, dass es mehr ist als ein Anhängsel der Vereinigten Staaten von Amerika – degradiert Afrika und die Afrikaner sofort zu Statisten für zwei der Helden der Autorin, Roméo Dallaire, „den Löwen“ und Louise Arbour, „den Adler“. Ihr dritter Held, „der Fuchs“, ist Lewis MacKenzie, Kommandant der UN-Friedenstruppen in Jugoslawien. Bereits durch ihr Herangehen an die Angelegenheit beweist Carol Off die Hartnäckigkeit und weite Verbreitung der literarischen Gewohnheitsregel, der zufolge Afrika das Versuchsgelände für den europäischen Charakter ist. 

Im Kapitel 2 lässt sie unter dem Titel Nach Afrika eine lange Conrad-Reminiszenz betreffend „harte, urwüchsige, rotäugige Teufel“ und „Gewalt“, „Gier“ und „heißes Sehnen“ vom Stapel. Dem Leser bleiben wenige Zweifel am geistigen Zustand der Autorin. Sie verkündet dann, dass „das Herz der Finsternis nicht so sehr ein Ort als viel mehr ein Zustand des Bewusstseins ist, eine Reise in die Finsternis der Seele, die letztlich dort ankommt, wo es für nichts mehr eine Erklärung gibt. Roméo Dallaire betrat so einen Ort (Ruanda) im Herbst 1993.“ Conrad ist nie weit weg von Carol Offs Bild von den Kanadiern in Afrika. Die Zitate und Bilder, die sie sich ausleiht, weiten den Abgrund, den zu überbrücken sich ihre Helden tapfer, selbstlos, aber vergeblich bemühen. 

Im November 1993 „fühlten“ Dallaire und seine Truppen “die Finsternis herannahen”. Wie sie versuchen zu verstehen, was vor sich geht, ist sie der Meinung, dass alles, „was sie fühlen konnten das war, was Conrad beschrieb als ´die Stille einer unerbittlichen Macht, die über einer unergründlichen Absicht brütet´“. Später erfährt der Leser, dass Dallaires Mission, die „vergeblich versucht hatte, die dunklen chaotischen Kräfte von Hass und Übel aufzuhalten“ begonnen hatte, „in etwas noch finstereres hineinzuschlittern.“ Der Abgrund wird so furchtbar und breit, dass die, die ihn überbrücken wollen oder, um weniger moderne, aber dafür treffendere Worte zu gebrauchen, die Zivilisation über diesen bringen wollen, zum Scheitern verurteilt sind. Wahrlich, gäbe es Conrad nicht, müsste ihn jemand erfinden. 

Wie so viele andere heute wie in der Vergangenheit gerät Carol Off immer ins Schwärmen, wenn sie über die schöne afrikanische Landschaft schreibt. Für Off und ihren Roméo Dallaire ist „Ruanda außergewöhnlich schön“. Das Land ist „bedeckt mit saftigen grünen Hügeln“. Die Vegetation ist „tief blaugrün“ und das „köstlich feuchte Klima“ hat den „ewigen Hauch des Frühlings“. Dallaire und sein kanadischer Assistent Major Brent Beardsley dachten, sie „wären im Paradies“. Was die Tradition vorgibt, daran hält sich Carol Off. Majestät und Schönheit der Landschaft sind umgekehrt proportional zum Bösen, das sie verbergen, wobei dieses Böse mit allen Einzelheiten unweigerlich wenige Zeilen oder Absätze nach ihren Beschreibungen von Ruandas bukolischer Landschaft zum Vorschein kommt.

Um das Böse darzustellen verwendet Carol Off viele Bilder und Bezüge, die ihre Vorgänger in den Blütezeiten von Sklaverei und Kolonialismus in die Welt gesetzt hatten. Die Augen des Afrikaners, den sie sich einbildet, sind blutunterlaufen, der Boden ist glitschig vom Blut. Die Natur der Afrikaner wird zurückgeführt auf Klima und Land, in dem sie leben. Zum Beispiel beschreibt sie, dass der Nebelschleier, der „in der blaugrünen Landschaft herumwirbelt, eine jenseitige Stimmung hervorrufend“ zu einem Spiritismus führt, der „tief im Wesen des Landes verankert ist“. Für eine kanadische Autorin kommen solche Bezüge nicht überraschend. Die englisch-kanadische Literatur wimmelt von heimatduseligen Klischees, die Mut und Energie von Kanadas Jugend dem kalten und rauen Klima und der Geografie des Landes zuschreiben.

Es überrascht, dass Carol Off in ihren Beschreibungen kannibalische Metaphorik benutzt. In Vorbereitung der Bühne für ihren Helden Dallaire schreibt sie, dass Dallaire für seine Mission besser vorbereitet gewesen wäre, hätte er den Bericht der Internationalen Kommission aus dem Jahr 1993 – schon wieder dieser Bericht – gelesen und „hätte er eine Ahnung auch nur von der Hälfte dessen gehabt, was in Frau Habyarimanas Küche im Frühjahr und Sommer 1993 gekocht wurde“. Offensichtlich würde sie derlei Küchenvergleiche niemals benützen, wenn die Rede wäre von politischen Führern und deren Frauen wie Aline Chrétien, Laura Bush oder Cherie Blair. Warum können sie uns nicht auch in Büchern über Afrika erspart werden? Der Bürgermeister von Toronto Mel Lastman wurde zu Recht kritisiert, als er während seiner Werbetour für Torontos Olympiabewerbung in dieser Weise über Afrika sprach, das sollte auch bei Carol Off nicht anders sein.

Ein Buch, das so feige zwei Repräsentanten kanadischer Institutionen in Afrika glorifiziert, gerät leicht in die Falle, afrikanische Einrichtungen mit Verachtung zu behandeln, egal ob moderne oder solche aus früheren Zeiten. Das ist eine sehr alte Gewohnheit, die abzulegen Carol Off keinerlei Versuch unternimmt. Religion ist Aberglaube, Regierungen sind despotisch und von Afrikanern übernommene europäische Institutionen sind bloße Karikaturen.

Afrikanisches Christentum ist ohne jeden Zweifel die Einrichtung, die am meisten herabgesetzt worden ist und noch immer wird, und gemäß Hammond und Jablow „entwürdigt“ wird in der gängigen literarischen Tradition 103 . Es wird zwar zugegeben, dass Afrikaner die christlichen Rituale übernommen haben, aber sie scheinen deren Bedeutung einfach nicht begriffen zu haben. Carol Off geht einen Schritt weiter, wenn sie schreibt, dass „der Überzug eines rigorosen Paternalismus, den die römisch katholische Kirche der Bevölkerung verpasst hat, nur das bereits vorhandene System blinden Gehorsams gegenüber der Autorität verstärkt hat.“ Daraus würde folgen, dass Ruander für Frau Off keine richtigen Katholiken sind, da diese Religion nur ein „Überzug“ ist, der einem Ansturm auf die darunter liegenden ursprünglichen Kräfte nicht standhalten kann. Die angestammten Traditionen „blinden Gehorsams“ verdrängen daher den „Überzug“ unserer exzellenten christlichen Traditionen, die den Europäern angeboren zu sein scheinen.  

Carol Off lässt ihrer Phantasie freien Lauf, wenn sie über die Ostermesse am 3. April 1993 schreibt, drei Tage vor dem Mord an den Präsidenten von Ruanda und Burundi.

Es ist ein Land bevölkert mit strenggläubigen Christen, die die Kirchen füllten. Die Priester brachen das Brot und verkündeten den christlichen Gemeinden die Auferstehung Christi: sie waren erlöst worden. Innerhalb der nächsten Tage würden diese Christen gehorsam den Anordnungen der Regierung folgen, ihre Nachbarn zu töten – brutal und ohne Gnade – seien es Männer, Frauen oder Kinder. Viele der Priester würden mitmachen. Nicht die Erlösung, die Apokalypse war über sie gekommen. 

Die Verfasserin dieses Berichts war am Sonntag 3. April 1994 nicht in Ruanda. Sie hat keine Ahnung, was die Priester getan oder den Mitgliedern ihrer Gemeinden gesagt haben. Es ist allerdings klar, dass sie darauf abzielt, die Art des Umgangs der Ruander mit dem Christentum herabzusetzen. Wie hätte sie außerdem besser den Mord an den beiden afrikanischen Präsidenten verharmlosen können, den sie als „Flugzeugabsturz“ bezeichnet, als eine grausliche Geschichte darüber zu erzählen, was in ihrer Einbildung drei Tage vor dem Mord in den Kirchen und in den Köpfen der Gläubigen vorgegangen ist.

Dem Brauch der meisten englisch-kanadischen Journalisten entsprechend nimmt auch Carol Off ihre Abhandlungen über die katholische Religion in Afrika zum Anlass, einige Schüsse in Richtung Katholizismus in Québec abzugeben. Mit Wortspielen und Ironie macht sie sich lustig über das lateinische Leitwort, das Pater Georges-Henri Lévesque der ruandischen Nationaluniversität in Butare gegeben hatte, als er sie 1963 gründete. Das Motto Illuminatio er salus populi (Erleuchtung und Heil dem Volk) von einem Priesters aus Québec, der die Hutus unterstützte, wird zu „Finsternis“ und „Apokalypse“, die Carol Off als Realität verkündet. Sie zieht Parallelen zwischen Québecer Nationalismus und der Stillen Revolution – Pater Georges-Herni Lévesque war unter den führenden Köpfen – und Ruandas sozialer Revolution im Jahr 1959, die manche Leute ideologisch in Verbindung bringen mit dem Genozid, den sie im Jahr 1994 beschreiben. Kurz vor seinem Tod verurteilte Pater Lévesque diese Art der nachträglichen Schuldzuweisung, die gegen ihn und andere gerichtet war.  

Wie bereits früher ausgeführt, war die europäische Literatur seit den ersten Kontakten zwischen Europäern und Afrikanern, und besonders im 19. Jahrhundert und zu Beginn des Kolonialismus außerordentlich simplifizierend in Hinblick auf afrikanische Führer. Alle waren machthungrig, unehrlich, hinterhältig, verachtenswert, auch lächerlich, außer wenn sie bereit waren, nach der imperialen Trommel zu marschieren – in diesem Fall wurden sie mit Wohlwollen betrachtet. Wieder einmal trennt ein Abgrund Europa von Afrika. Diese Beschreibungen verachtenswerter afrikanischer Politiker sind angetan, Effizienz, moralische Standards und allgemeine Hochwertigkeit der Menschen und Institutionen in den imperialen Mutterländern herauszustreichen. Nach einer derart sorgfältigen Vorbereitung der Bühne war es leicht, den nächsten Schritt zu setzen und die edle koloniale Mission des Imperiums zu unterstützen, diese rückständigen Menschen zu zivilisieren.

Carol Off folgt blind diesem Weg. Als Präsident Juvénal Habyarimana 1973 die Macht übernahm, entsprach er laut Off „der typisch afrikanischen Diktatoren-Schablone“. Sie führt weiter aus, dass das in der Zeit des Kalten Kriegs war, in der „jeder Despot ausländische Patrone finden und halten konnte, die ihm halfen, an der Macht zu bleiben.“ In anderen Worten, die imperialen Mächte wurden hintergangen. Der ermordete Präsident von Ruanda war nicht fähig, irgendetwas von Wert zu tun. Immer „täuscht er etwas vor“ und ist immer hinterlistig. Auf die Forderung der sogenannten Geberländer „täuschte Habyarimana vor, wirtschaftliche und politische Reformen zu betreiben“. Als er im August 1993 nach Arusha kam, um den Friedensvertrag zu unterschreiben, nahm er teil an „einer großen Zeremonie, die von den wichtigeren afrikanischen Politikern besucht wurde – von denen keiner glaubte, dass das Friedensabkommen halten würde – und von Mitgliedern der internationalen Staatengemeinschaft, die einen Seufzer der Erleichterung ausstießen, dass der schlimmste Teil der ruandischen Krise vorbei war.“ 

Dieser Abschnitt sollte sorgfältig gelesen werden, da er tiefere Einblicke in die Denkweise der Autorin bietet. Fürs erste scheinen die afrikanischen Politiker nicht Carol Offs „internationaler Staatengemeinschaft“ anzugehören, obwohl die Spitzenpolitiker von Tansania, Uganda und Südafrika anwesend sind. Zu ihrer „internationalen Staatengemeinschaft“ gehören offenbar nur die „weißen“ Länder Europas und Amerikas, wie zu der Zeit, als Europa Afrika zu kolonialisieren begann. Zweitens unterzeichneten laut Carol Off die afrikanischen Politiker das Abkommen, glaubten aber kein Wort davon. Diese Anschuldigung ist ernster als es den Anschein hat. Sie sagt damit, dass diese Führer die Mitglieder der „internationalen Staatengemeinschaft“ angelogen und betrogen haben, die, wie wir alle wissen, sich selbstlos um das Wohlergehen Afrikas bemühen.

Präsident Habyarimana ist nur eine Marionette unter der Kontrolle seiner “Lady Macbeth”, Frau Habyarimana und ihrem Gefolge „rotäugiger Teufel“ – direkt übernommen von Conrad. Wie im 19. Jahrhundert ist Verachtung für afrikanische Führer die beste Methode, Verachtung für die Afrikaner zum Ausdruck zu bringen, die unter ihnen leben, aber in diesem besonderen Buch dient sie anderen Zwecken. Sie hilft, den Mord an Habyarimana und seinem burundischen Kollegen am 6. April 1994 zu verharmlosen, der für Carol Off ein bloßer „Flugzeugabsturz“ war. Jemand, der es wagte, 9/11 als „Flugzeugabsturz“ in das World Trade Centre zu beschreiben, würde höchstwahrscheinlich im Irrenhaus oder im Gefängnis landen. Außerdem erleichtert sie das schwierige Unterfangen Carol Offs, Louise Arbour zu entlasten, die Michael Hourigans Untersuchung des Abschusses von Präsident Habyarimanas Flugzeug eingestellt hat, die einzige derartige Untersuchung, die von diesem Tribunal unternommen worden ist. 104   

Carol Off findet nur freundliche Worte für die Beschreibung des RPF-Führers Paul Kagame, der gewissermaßen die Rolle des traditionellen Alliierten der Kolonialmächte im 19. Jahrhundert spielt. Paul Kagame ist „brillant“, ein „großer militärischer Taktiker“, hauptsächlich dank seiner Ausbildung am US Army and General Staff College in Forth Leavenworth in Kansas, Vereinigte Staaten von Amerika. Seine immer „höflichen und sehr disziplinierten“ Truppen bilden eine „Befreiungsarmee“, die zu Hilfe kommt und dem Völkermord ein Ende bereitet. Um ihren kanadischen und amerikanischen Lesern besser den Krieg und wer ihn führt begreiflich zu machen, spielt sie hinterlistig auf den Zweiten Weltkrieg und den Kampf gegen Hitler an. Wenn sie dann die RPF als „Befreiungsarmee“ hinstellt, die den „Genozid“ beendet, weiß sie, dass sie ihre Schäfchen ins Trockene gebracht hat. Darüber hinaus wird sie einmal mehr in charakteristisch englisch-kanadischer Weise ganz kribbelig, wenn sie sieht, dass Frankreich und ein französisch sprechendes afrikanisches Land in die Knie gezwungen werden von einer englisch sprechenden Armee, die von Briten und Amerikanern ausgebildet worden ist.

Afrika und besonders Ruanda sind Podeste, auf denen sie die kanadischen Helden ihrer Geschichte darstellt und verherrlicht. Je weiter entfernt Ruanda von Kanada erscheint, geografisch wie kulturell, desto tapferer sind ihre Helden. Frau Off lässt ihrer Fantasie in dieser Beziehung freien Lauf.

Sie stellt Roméo Dallaire vor als Militär, der „in die Röhre eines langen, trübseligen Endes seiner Karriere blickt“, als eines feinen Tages jemand ihm anbietet, ihn zum Befehlshaber einer Mission in ein Land in Zentralafrika zu bestellen. Wir haben das schon gesehen: das trübselige Leben im Mutterland im Gegensatz zu Abenteuern in Afrika. Carol Offs Dallaire weiß absolut nichts über Geografie und Geschichte dieses „afrikanischen Landes, um das sich niemand zu kümmern brauchte“. Unwissen über Afrika wird hier zu einer Tugend gemacht, etwas, auf das man stolz sein konnte, während es eigentlich ein ausreichender Grund sein sollte, jemandem diesen Job nicht zu geben.

Wir lernen, dass ihr Roméo Dallaire „geschickt, durchsetzungsfähig“, „ausgeglichen, stattlich“, von „unbeschränkter Energie“, mit dem „Mut eines Löwen“ und einer „rigorosen Moral“ ausgestattet ist. Er „hat seine Richtlinien sozialer Gerechtigkeit von seinen Eltern gelernt, die ihre entscheidenden Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg gemacht hatten“. Welch bessere Schule konnte er auch aufweisen in Hinblick auf Carol Offs Bestreben, Parallelen zwischen Nazideutschland und Habyarimanas Ruanda zu ziehen. Ihre Begeisterung – und Phantasie – kennen keine Grenzen. Einmal beschreibt sie Dallaire als „ausgesetzt mitten in einem Land, das er vor einem Jahr kaum auf einer Landkarte gefunden hätte, nur mit seiner Nato-Ausbildung und seinem persönlichen Gefühl für richtig und falsch ausgestattet, das ihn leitete“, und das zu einer Zeit, in der sich „düstere Finsternis“ über ihn herabsenkte. Es ist merkwürdig, wie dieser Sinn für richtig und falsch diesen Kanadiern angeboren zu sein scheint. In Sunday at the Pool in Kigali stattet Gil Courtemanche seinen Helden in Ruanda Bernard Valcourt mit den gleichen hohen moralischen Qualitäten aus.

Louise Arbour ist der Adler in der Erzählung und die Erfolgsgeschichte in Carol Offs Buch. Sie hat einen ebenso gediegenen moralischen Charakter wie Dallaire. Sie ist auch „hübsch“, „schlagfertig“, „effizient“, „kompetent“ und hat eine ausgezeichnete juristische Ausbildung, besonders nachdem sie hauptsächlich in Ontario tätig war. All diese Qualitäten befähigen sie, erfolgreich ihre Mission auszuführen, die „Kultur der Straflosigkeit“ auszumerzen, die „im Herzen Afrikas“ herrscht. Trotz des enormen Abgrunds, trotz der Schwankungen, Korruption, Unfähigkeit und Ineffizienz des internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, für deren Beschreibung Off mehrere Seiten braucht, bringt Louise Arbour in vorbildlicher Weise Ordnung in den Gerichtshof und führt die edle Mission erfolgreich weiter mit Hilfe anderer feiner Kanadier wie Pierre Duclos. Duclos ist der ehemalige von Louise Arbour eingestellte Sûreté du Québec-Ermittler, der von der Québecer Poitras Commission als der Polizeibeamte identifiziert worden ist, der die Fälschung von Beweisen in der Matticks-Affäre veranlasst hat. 105

Ein Loblied auf Louise Arbour, die Richterin am kanadischen Obersten Gerichtshof wurde, ehe sie zur Vorsitzenden der UN-Menschenrechtskommission bestellt wurde, erfüllt Kanadier zweifelsohne mit Stolz. Darüber hinaus nimmt auch Louise Arbour gerne Lob entgegen. Gnädig gewährte sie Carol Off mehrere lange Interviews. Der Zweck all dieses schmeichelhaften Getues ist allerdings nicht so arglos. Während sie Frau Arbour lobt, lässt sie schamlose Kommentare darüber einfließen, wie verschieden Afrika ist und wie, in dieser unterschiedlichen Welt, die heilige Louise Arbour völlig im Recht ist, wenn sie „etwas anders als andere Gerichte vorgeht“ – gemeint sind europäische Gerichte – und sich selbst „die Flexibilität zugesteht, Verdächtige ohne Anklage festzuhalten.“ 

Afrika ist so anders, dass von uns erwartet wird, dass wir verstehen und akzeptieren, dass “ein rechtsstaatliches Verfahren nach nordamerikanischem und europäischem Verständnis es (für Frau Arbour) fast unmöglich gemacht hätte, die Hauptverdächtigen zu verhaften“, oder die „großen Fische“, wie Carol Off sie gerne bezeichnet.

 


 

102 Carol Off, The Lion, The Fox and The Eagle, A story of generals and justice in Rwanda and Yugoslavia, Vintage Canada, 2000.

103 Hammond and Jablow, op. cit. p. 131.

104 Siehe Kapitel 6.

105 Siehe Kapitel 13, Fußnote 7.

 
     
 
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