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  Ein vielsagendes Schweigen

Warum wir die Landwertbesteuerung brauchen

George Monbiot

 

Über ein Land kann man ebenso viel aus dem lernen, was es verschweigt, wie aus seinen Obsessionen. Die Themen, über die die Politiker nicht diskutieren, sind so vielsagend und entscheidend wie diejenigen, über die sie reden. Während die Kürzungen der Regierung die Verletzlichen ruinieren und die öffentlichen Dienstleistungen demontieren, ist es an der Zeit, über die nicht getroffenen Maßnahmen zu reden, über die versäumten Gelegenheiten: die Steuern, die uns jede Drehung an der Steuerschraube hätten ersparen können.

Das Ausmaß des Vergessens ist ungemein. Nehmen wir zum Beispiel die Besteuerung von Kapitalgewinnen. Vor den Wahlen versprachen die Liberaldemokraten, diese von 18% auf „die selbe Höhe wie die Einkommensteuer“ (sprich bis zu einem Spitzensatz von 50%) zu erhöhen, um sicherzustellen, dass die Bosse von privaten Beteiligungsfirmen nicht länger niedrigere Steuersätze bezahlten als ihre Büroreinigungskräfte. Das machte Sinn, da es den Bossen den Anreiz genommen hätte, sich ihre Einkommen als Kapital auszahlen zu lassen. Ungeachtet mächtiger wirtschaftlicher Argumente weigerte sich die Regierung, den Spitzensatz auf über 28% anzuheben. Die Liberaldemokraten protestierten einen oder zwei Tage lang und ließen seither nichts mehr davon verlauten. In der Parlamentsdebatte über Kürzungen im Bereich der sozialen Sicherheit wurde diese versäumte Gelegenheit kein einziges Mal erwähnt.

Aber zumindest diese Steuer ist gestiegen. In gerade einmal zweieinhalb Jahren hat die Regierung die Körperschaftsteuer dreimal gesenkt. Diese wird von 28% im Jahr 2010 auf 21% im Jahr 2014 fallen. George Osborne, der Finanzminister, prahlte letzten Monat damit, dass das „die niedrigste Rate unter den größeren westlichen Wirtschaften ist“: er setzt bewusst einen destruktiven Wettbewerb mit anderen Ländern in Gang und schafft damit neue Vorwände, um die Quote im Vereinigten Königreich weiter zu senken.

Dass Labour dazu so gut wie gar nichts sagt, ist leicht erklärt. Unter Tony Blair und Gordon Brown, die oft genauso wie die Konservativen darauf aus waren, sich mit der Macht der Konzerne gut zu stellen, wurde die Quote von 33% auf 28% gesenkt. Osbornes Prahlerei vorwegnehmend tat Brown 1999 groß damit, dass die Quote, die er eingeführt hatte, „die niedrigste Quote aller größeren industrialisierten Länder weltweit war, einschließlich Japans und der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Was für eine Hinterlassenschaft für eine Labour-Regierung.

Was eine Robin Hood-Steuer auf Finanztransaktionen betrifft, wird man nach einem anfänglichen Aufflackern von Interesse eher den Ruf des Jubjub-Vogels (Krokodilvogel) im House of Commons hören. Laut dem Institute for Public Policy Research würde eine Steuerquote von gerade einmal 0,01% 25 Milliarden Pfund im Jahr erbringen, wodurch viele der ensthaften Diskussionen über verheerende Kürzungen überflüssig würden. Schweigen umgibt auch die Vorstellung von einer Windfall-Steuer auf extremen Reichtum. Und zu sagen, dass Professor Greg Philos fesselnde Idee, die Staatschulden auf jene zu übertragen, die über Besitz im Wert von über einer Million Pfund verfügen, im Parlament nicht die Flammen der Leidenschaft entfachen konnte, wäre nicht übertrieben.

Aber das lauteste Schweigen umgibt das Thema Besitzsteuern. Die teuerste Wohnung in der Lieblingsgegend der internationalen Superreichen, One Hyde Park, kostet 135 Millionen Pfund. Der Besitzer bezahlt 1.369 Pfund an Kommunalsteuern, das sind 0,001% ihres Werts. Letztes Jahr deckte The Independent auf, dass der Sultan von Brunei nur monatlich 32 Pfund mehr für seinen Luxuspalast in Kensington Palace Gardens bezahlt als einige der ärmsten Leute im selben Bezirk. Eine Villensteuer – abgewimmelt von David Cameron im Oktober – ist nur der Anfang dessen, was die Besitzer solcher Plätze bezahlen sollten. Die einfachste, fairste und am wenigsten vermeidbare Steuer ist allerdings eine, von der die größeren Parteien einfach nichts wissen wollen. Sie heißt Landwertsteuer.

Der Begriff ist eine falsche Bezeichnung. Es ist nicht wirklich eine Steuer. Es ist eine Rückerstattung der Leistungen, die wir den Landbesitzern gespendet haben. Wenn der Wert des Landes steigt, machen die Regierung und das Volk denjenigen, die das Glück haben, es zu besitzen, ein großes unverdientes Geschenk. 

1909 erklärte ein gefährlicher Umstürzler die Sachlage folgendermaßen: „Wege werden gebaut, Straßen werden gebaut, Dienstleistungen werden verbessert, elektrische Beleuchtung macht die Nacht zum Tag, Wasser wird aus Reservoirs in der Bergen über hundert Meilen Entfernung hergeleitet – und die ganze Zeit über verhält sich der Landbesitzer ruhig. Jede dieser Verbesserungen wird erreicht durch die Arbeit und auf Kosten anderer Menschen und der Steuerzahler. Nicht zu einer dieser Verbesserungen trägt der Landmonopolist als ein Landmonopolist bei, und doch wird durch jede einzelne von diesen der Wert seines Landes gesteigert. Er leistet nichts für das Gemeinwesen, er trägt nichts bei zum allgemeinen Wohlergehen, er trägt nichts bei zu dem Prozess, aus dem sein eigener Reichtum stammt ... die unverdiente Steigerung des Wertes seines Landes erntet der Landmonopolist in einer genauen Relation nicht zu seinen Leistungen, sondern zum angerichteten Schaden.“

Wer war dieser Hitzkopf? Winston Churchill. Wie Churchill, Adam Smith und viele andere ausgeführt haben, sahnen diejenigen, die das Land besitzen, Reichtum von allen anderen ab, ohne Anstrengung oder Unternehmen. Sie „erheben eine Abgabe von allen anderen Formen des Besitzes und jeder Art von Industrie.“ Die Landwertsteuer gleicht diese Abgabe aus.

Diese hat auch eine Reihe von weiteren Vorteilen. Sie macht der spekulativen Hortung von Land ein Ende, die den Bau von Wohnungen verhindert. Sie stellt sicher, dass der wertvollste Baugrund – in Stadtzentren – zuerst entwickelt wird und die Zersiedelung des städtischen Umlands weniger attraktiv ist. Sie verhindert spekulative Immobilienblasen der Art, die vor kurzem die Wirtschaft von Irland, Spanien und anderen Ländern verwüstet haben und die es den Menschen so schwer machen, sich Miet- oder Eigentumswohnungen zu leisten. Weil sie keine Auswirkungen hat auf das Angebot von Land (vor einiger Zeit hörten sie damit auf), kann sie nicht die Ursache dafür sein, dass die Mieten, die die Menschen den Landeigentümern bezahlen müssen, erhöht werden. Sie ist leicht zu berechnen und schwer zu vermeiden: man kann sein Grundstück in London nicht auf einem geheimen Konto auf den Cayman-Inseln verstecken. Und sie könnte wahrscheinlich das gesamte Defizit entlasten.

Es ist ganz und gar bemerkenswert, dass in diesen beschränkten und ungerechten Zeiten die Besteuerung von Landbesitz nicht im Zentrum der laufenden politischen Debatte steht. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, wie mächtig die von Mieteinnahmen lebende Klasse in Britannien geworden ist. Während das Schweigen rund um diese offenkundige Lösung die Beschränkungen von Labour aufzeigt, zeigt sie auch die Widersprüche im Zentrum der konservativen Partei. Die Konservativen behaupten, so David Camerons Worte, die „Partei des Unternehmertums“ zu sein. Am meisten von ihrer Politik profitieren jedoch diejenigen, die schon reich sind. Sie ist in Wirklichkeit die Partei des Erbgelds.  

Das ist es, was bei der Debatte über Arbeiter und Drückeberger, Strebsame und Faule herauskommen hätte sollen. Die Drückeberger und die Faulen, die uns das Geld aus der Tasche ziehen, sind nicht die Empfänger von sozialen Leistungen, die von der Daily Mail und der konservativen Partei dämonisiert werden, von denen die überwiegende Mehrheit zudem rechtmäßig erworbene Ansprüche hat. Unsere Parasiten sitzen oben, nicht unten, und das Steuersystem sollte dem Rechnung tragen.

 
     
  erschienen am 22. Januar 2013 in > The Guardian > Artikel und auf > George Monbiots Website  
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