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  Hysterie rund um Kims Atomwaffen

Eric Margolis

 

Stehen wir kurz davor, von Nordkoreas Atomwaffen verdampft zu werden? Angesichts der hysterischen Reaktionen in dieser Woche über den dritten unterirdischen Atomtest käme man sicher zu diesem Schluss.

In Wirklichkeit werden wir nicht vom jungen Führer Nordkoreas Kim Jong-un atomisiert werden. Aber wie viele Anführer kleiner Länder baut es ihn schon sehr auf, wenn er die großen Kerle dazu bringt, verrückt zu spielen.

Die mittlerweile umgebrachten Muammar Gaddafi und Saddam Hussein widmeten sich ebenfalls dieser gefährlichen Gaudi. Im Gegensatz zum jungen Kim verfügten sie aber nicht über 4-6 einsatzbereite Atomwaffen – eine Lektion, die Nordkorea gut gelernt hat.

Während alle gegen die bösen Nordkoreaner wetterten, wurden die Kriegsspiele kaum erwähnt, die von den Vereinigten Staaten von Amerika, Südkorea und Australien in der Nähe Nordkoreas abgehalten wurden und von denen Pyongyang behauptete, sie dienten der Vorbereitung einer Invasion unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika. Etwa halbjährlich veranstaltete Kriegsspiele unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika bringen Nordkorea fast immer dazu, Raketen abzufeuern und die Kriegstrommeln zu schlagen. 

Klar ist, dass Nordkorea ständigen Fortschritt macht bei der Entwicklung eines kleineren nuklearen Sprengkopfes, der in eine Raketenspitze passt, und bei der Entwicklung einer Langstreckenrakete, die eines Tages in der Lage sein könnte, Nordamerika zu erreichen.

Wie auch immer, Nordkoreas dritter Atomwaffentest hatte weniger als die Hälfte der Sprengkraft der Bomben, die 1945 von den Vereinigten Staaten von Amerika auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen worden sind.

Aber Pyongyangs Beschreibung eines „kleineren und leichteren Geräts“ ließ die Alarmglocken im Pentagon schrillen. Als Antwort auf neue von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführten Sanktionen gegen Nordkorea, nachdem es einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn geschossen hatte, drohte Pyongyang damit, seine Raketen gegen die Vereinigten Staaten von Amerika zu richten. 

Das ist noch leeres Gerede. Nordkorea verfügt noch über keine zuverlässigen genauen Interkontinentalraketen, die die Vereinigten Staaten von Amerika bedrohen könnten. Es kann nicht gewährleisten, dass die verkleinerten atomaren Sprengköpfe, die es vermutlich entwickelt, den starken g-Kräften und der hohen Hitze des Raketenflugs widerstehen können – oder dass sie explodieren werden.

Nordkoreas relativ krude Mittel- und Langstreckenraketen sind ungenau und unverlässlich. Die meisten müssen stundenlang mit Flüssigtreibstoff befüllt werden, was sie zu leichten Zielen für Präventivangriffe der Vereinigten Staaten von Amerika macht. Der Norden verbraucht auch schnell seinen Vorrat an bombentauglichem Nuklearmaterial.

Nordkorea ist nicht imstande, dem Festland der Vereinigten Staaten von Amrika einen lähmenden Schlag zu versetzen. Im Gegensatz dazu führt die siebte Flotte der Vereinigten Staaten von Amerika im Pazifik genügend Atomwaffen mit sich, um Nordkorea innerhalb weniger Minuten zu vernichten.

Dieses letzte Aufheulen über Pyongyangs Atomwaffen muss gesehen werden in Zusammenhang mit der bitteren Rivalität zwischen Nord- und Südkorea. Ein typisches Beispiel: in der entmilitarisierten Zone, die beide trennt, hing Südkorea seine Fahne auf einen hohen Turm. Der Norden baute sofort einen Fahnenturm, der um die Hälfte höher war.

Nordkorea sagt, es sei das einzige authentische Korea. Der Süden, so Pyongyang, ist eine Kolonie der Vereinigten Staaten von Amerika mit einer Besatzung von 28.000 Soldaten. In Wirklichkeit fürchtet der Norden, dass ihn der wirtschaftlich mächtige Süden schlucken wird. Weder Japan noch China wollen ein vereintes Korea haben, daher unterstützen sie Pyongyang offen oder geheim, während sie es offiziell wegen seiner Atomtests schimpfen.

Inzwischen verstoßen die selben Atommächte, die Nordkorea abkanzeln, weil es ein atomares Arsenal aufbaut, selbst direkt gegen den Atomwaffensperrvertrag aus dem Jahr 1970. Laut diesem Abkommen verpflichteten sich die VereinigtenStaaten von Amerika, das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Sowjetunion und China, schnell alle ihre atomaren Waffen zu beseitigen.

Das haben sie nie getan.

Indien, Pakistan und Israel haben nukleare Arsenale aufgebaut. Südkorea war auf dem Weg, Atomwaffen herzustellen, bis es von den Vereinigten Staaten von Amerika gezwungen wurde, das geheime Projekt einzustellen. Es wird geschätzt, dass Japan in der Lage ist, in nur 90 Tagen eine Atomwaffe zu produzieren.

1994 schlossen die Clinton-Administration und Nordkorea einen Vertrag, um die atomare Produktion des Nordens im Austausch für Nahrungsmittel und Erdöl einzustellen. Das Abkommen wurde jedoch 2002 von Neokonservativen in der Bush-Administration zum Entgleisen gebracht, welche fürchteten, Nordkoreas nukleares Know-how und Raketen könnten an Israels Feinde im Mittleren Osten verkauft werden. Der Kalte Krieg zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Nordkorea ging also weiter.

Washington und Pyongyang können noch immer zu einer Vereinbarung kommen. Diese wird allerdings eine ausdrückliche Verpflichtung Washingtons erfordern, nicht in Nordkorea einzumarschieren, sowie große Mengen von Hilfslieferungen. Republikaner und Neokonservative werden heftig ein solches Abkommen bekämpfen. Die amerikanischen Konservativen brauchen Feinde von außen. Gerade jetzt ist Kim Jong-un der beste, den sie haben. 

 
     
  erschienen am 16. Februar 2013 auf > www.ericmargolis.com  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
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