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  Die Maus, die brüllte

Philip Giraldi

Der Iran hat es wieder auf die Titelseiten geschafft, dieses Mal, weil er die Marine der Vereinigten Staaten von Amerika bedroht. Ein langer ausführlicher Artikel in der Washington Post beschreibt, wie der Iran zu neuen technisch ausgefeilten Antischiffs-Raketen gekommen ist und schnelle Angriffsboote und Unterseeboote in den Dienst gestellt hat. Er hat auch neue Taktiken entwickelt, darunter Schwarmangriffe, die die Schiffe der Vereinigten Staaten von Amerika in eine 360-Grad-Einkreisung bringen und so die Fähigkeit konventioneller Kriegsschiffe auf die Probe stellen werden, gleichzeitig eine effektive Verteidigung in alle Richtungen aufrecht zu halten.

Nichts davon ist wirklich neu. Manöver im Jahr 2002 und Studien des Pentagon im Jahr 2009 und neuere früher in diesem Jahr bestätigten, dass die Marine der Vereinigten Staaten von Amerika beträchtliche Probleme haben würde im Umgang mit den iranischen Taktiken. Ich berichtete darüber im April dieses Jahres in meiner Kolumne Deep Background (Tiefer Hintergrund) in der Druckversion von The American Conservative. Wenig überraschend betrachten die Washington Post und ich die selbe Entwicklung auf leicht unterschiedliche Weise. Für mich sind die Fähigkeiten des Iran nur ein Grund mehr, warum ein Krieg mit all seinen unbeabsichtigten und unerwarteten Konsequenzen das Potenzial aufweist, zur Katastrophe zu werden, mit einem oder mehreren versenkten Schiffen der amerikanischen Marine und einem Ölpreis, der über $200 pro Barrel steigt.

Für die Washington Post ist das ein weiterer Hinweis auf die Bedrohung, die der Iran für Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika darstellt. Joby Warrick, der zuständige Redakteur für die Berichterstattung der Washington Post über den Iran, vermischt Meinung mit Fakten, ein nicht unbekanntes charakteristisches Merkmal der außenpolitischen Berichterstattung dieses Blattes. Er beginnt seine Geschichte mit „Der Iran gewinnt schnell an neuem Potenzial, Kriegsschiffe der Vereinigten Staaten von Amerika im Persischen Golf anzugreifen ...“ und erhebt „Bedenken hinsichtlich der Schwächen der Vereinigten Staaten von Amerika in den ersten Stunden eines Konfliktes im Golf.“

Warrick vermeidet sorgfältig das zentrale Thema, nämlich dass der Iran keinen Angriff gegen die Marine der Vereinigten Staaten von Amerika führen kann und dass jede Attacke, die er unternimmt, einen Angriff entweder durch die Vereinigten Staaten von Amerika oder Israel oder beide zusammen nach sich ziehen würde. Anders gesagt, die Bedrohung ist nur eine Bedrohung, wenn sie die Vereinigten Staaten von Amerika und Israel durch einen Erstangriff dazu machen. Warrick lässt auch die oft wiederholte Rechtfertigung für Krieg im Golf links liegen, nämlich Irans „Atomanlagen ... von denen die Vereinigten Staaten von Amerika glauben, dass sie den zivilen Deckmantel bilden für ein iranisches Streben, ein Potenzial für die Herstellung von Atomwaffen zu erreichen.“ In Wirklichkeit glauben die Vereinigten Staaten von Amerika nichts dergleichen. Die CIA hat festgestellt, dass der Iran nicht die politische Entscheidung getroffen hat, Atomwaffen zu erwerben.

Warrick schreibt: „Analysten haben ... gewarnt, dass ein Konflikt ausgelöst werden könnte durch einen iranischen Versuch, die Straße von Hormuz zu sperren ... als Vergeltung für internationale Sanktionen“ in einem Versuch, Teheran als den potenziellen Aggressor hinzustellen. Auch über andere Entwicklungen im Iran wird in ähnlicher Weise berichtet: „Der Iran macht ständig Fortschritte bei der Entwicklung von Raketen, die Ziele in Israel und weiter entfernt angreifen können ... Teheran baut auch sein gut etabliertes Potenzial aus, terroristische Angriffe über Stellvertreter wie Hezbollah zu starten ... die ein Netzwerk von Zellen auf der ganzen Welt betreiben.“ Warrick führt dann die von der Washington Post wiederholt vorgebrachte, jedoch dubiose Versicherung an, dass der Iran weltweit hinter dem Terrrorismus gesteckt hat und zitiert keine Geringere als Danielle Pletka vom American Enterprise Institute, die darauf hinweist, dass der Iran Ziele überall auf der Welt angreifen kann und dass es naiv ist zu glauben, dass er nicht über die Kapazität verfügt, Angriffe in den Vereinigten Staaten von Amerika durchzuführen.“ 

In der Tat ist es naiv zu glauben, dass der Iran eine Art islamischer Supermacht ist, die weltweit agieren kann. Wären die Potenziale des Iran so wie von Warrick und Pletka beschrieben, wäre das ein guter Grund, hinsichtlich eines Kriegs Zurückhaltung zu üben. Warrick will eindeutig die bevorzugtere Geschichte weitertreiben, dass Teheran uns alle bedroht, und nicht dieses Propagandamärchen zerstören. In Wirklichkeit liegt der Iran weit hinter den militärischen Möglichkeiten der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels auf jedem nennenswerten Gebiet, und seine Unterstützung des Terrorismus ist in keiner Weise bewiesen. Washingtons Recht, eine massive Militär- und Marinepräsenz im Mittleren Osten aufrecht zu erhalten, wird von der Washington Post nicht in Frage gestellt, genauso wenig Israels Recht, den Iran präventiv anzugreifen.

Aber Verteidigungsmaßnahmen des Iran angesichts von fünf Jahren von zunehmend ausdrücklichen Drohungen aus Washington und Tel Aviv sind irgendwie bösartig. 

 
     
  erschienen am 30. Juli 2012 auf > The American Conservative > Artikel  
  Archiv > Artikel von Philip Giraldi auf antikrieg.com  
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