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  Der Verlust von Freiheit für Sicherheit – der Fall Padilla

Jacob G. Hornberger

Der Fall Jose Padilla ist zurück in den Nachrichten. Der elfte Berufungsgerichtshof hat befunden, dass die Verurteilung zu 17 Jahren Freiheitsstrafe durch den Bezirksrichter zu milde ist. Der Gerichtshof hat angeordnet, dass der Fall an den Richter zurückverwiesen wird mit Anleitungen, ein viel strengeres Urteil in Erwägung zu ziehen. 

Obwohl das vielleicht nur wenige Amerikaner wissen, ist der Fall Jose Padilla mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit der schwerwiegendste Rechtsfall unserer Zeit, geht man von der Freiheit aus, die die Amerikaner am 9/11 verloren haben.

Die größte Macht, die ein Diktator haben kann, ist die Macht, eine Person zu schnappen, sie in ein Gefängnis, Konzentrationslager oder Verlies zu stecken und dort so lang einzusperren, wie der Diktator das will, sie zu foltern, misshandeln, demütigen oder gar umzubringen, vielleicht nach einer Art Schauprozess. Das heißt natürlich nicht, dass der Diktator diese Dinge selbst macht. Er verfügt über ein mächtiges Militär, einen Geheimdienst oder eine Polizei, welche loyal seine Befehle ausführen und diese Dinge tun.

Das ist die Macht, die die Diktatoren im Mittleren Osten seit Jahrzehnten besaßen, die sie rechtfertigten mit Notsituationen im Umgang mit Drogen und Terroristen. In der Tat übte der ägyptische Diktator Hosni Mubarak, ein alter Freund und Verbündeter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, dessen Militär mit dem Militär der Vereinigten Staaten von Amerika eng zusammenarbeitete, diese Notstandsgewalt rund 30 Jahre lang aus, in denen angeblich Drogen und Terrorismus ständig die nationale Sicherheit Ägyptens bedrohten. Es war unter anderem diese Notstandsgewalt, die die ägyptischen Demonstranten beseitigt haben wollten. Sogar nach dem Sturz Mubaraks weigert sich das Militär in Ägypten, diese außerordentliche diktatorische Gewalt über die Bürger aufzugeben. 

Das ist die Macht, die jetzt der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika besitzt – die gleiche Macht, die der von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützte Diktator Hosni Mubarak ausgeübt hat – die gleiche Macht, welche Diktatoren die Geschichte hindurch ausgeübt haben. Wie Präsident Bush vor ihm bedient sich jetzt Präsident Obama der Notstands-/nach 9/11-Ermächtigung, das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika zu benützen, jeden Amerikaner zu verhaften, unbefristet anzuhalten und ihn zu foltern und zu misshandeln.

Gibt es Bedingungen für die Ausübung derartiger Macht? Eine – nämlich dass die Person vom Militär, von der CIA oder vom Präsidenten als Terrorist abgestempelt wird. Sobald diese Person solcherart gekennzeichnet ist, tritt die diktatorische Macht in Kraft.

Wie kam es dazu, dass eine derart außergewöhnliche diktatorische Macht vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika angeeignet werden konnte, in einem Land, das behauptet, ein freies Land zu sein? Nein, nicht durch gesetzgeberische Maßnahmen, wie es Mubarak gemacht hat. Nein, auch nicht durch Verfassungsänderung, wie sie unser System verlangt. Bush dekretierte einfach nach dem 9/11, dass er jetzt über derartige Macht verfüge als militärischer Oberbefehlshaber im Krieg – dem „Krieg gegen den Terrorismus“. In so einem Krieg ist die ganze Welt Schlachtfeld und jeder kann der Feind sein, eingeschlossen amerikanische Bürger, so die Funktionäre der Vereinigten Staaten von Amerika.

Würden nun die Gerichte tatsächlich die Annahme solcher außerordentlicher diktatorischer Macht aufrechterhalten? Sie haben das bereits getan. Darum ist es im Fall Padilla gegangen. Die Befürworter sind am Feiern, seit der Fall entschieden wurde. Sie wissen, was viele Amerikaner nicht wissen – dass die Entscheidung im Fall Padilla nicht nur auf diesen zugetroffen hat, sondern in Wirklichkeit auf alle Amerikaner.

Jose Padilla ist ein amerikanischer Staatsbürger. Er wurde festgenommen und als Terrorist abgestempelt. Der Präsident entzog ihn der Rechtssprechung der Bundesgerichte und übergab ihn dem Militär, das ihn umgehend in Isolationshaft in einen Militärkerker steckte, wo es ihn über drei Jahre lang festhielt. Als Ergebnis der Folter ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er einen bleibenden geistigen Schaden davongetragen hat. 

Zu keinem Zeitpunkt weigerten sich irgendwelche Militärpersonen, sich an Verhaftung, Inhaftierung und Folterung von Jose Padilla zu beteiligen. Wie in Ägypten unter Mubarak befolgte das Militär loyal die Befehle, diesen amerikanischen Bürger auf diese Weise zu behandeln. Ihrem Verständnis gemäß verteidigten die Soldaten „unsere Freiheiten,“ als sie loyal die Befehle des Präsidenten befolgten, Padilla das alles zuzufügen.

Als Padillas Antrag auf Zuerkennung seiner Habeas Corpus-Rechte seinen Weg durch die Bundesgerichte nahm, teilten Regierungsjuristen den Bundesrichtern mit, dass die nationale Sicherheit erforderte, Padilla als feindlichen Kämpfer zu behandeln und nicht als Angeklagten nach dem Strafrecht.

Aber das war alles gelogen. Sobald die Regierung zu einem ihr genehmen Urteil gekommen war, verpasste sie sofort Padilla den Status eines nach dem Strafrecht Angeklagten. Das Militär, das loyal die Befehle befolgt hatte, Padilla als feindlichen Kämpfer zu behandeln, befolgte loyal die Befehle, ihn der Rechtssprechung der Bundesgerichte zu übergeben.

Welchen Nutzen hatte die Regierung aus diesem Herumschieben und Herummanövrieren? Die Vertreter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wussten, dass sie eine Entscheidung eines Bundesberufungsgerichtes hatten, welche besagte, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika jetzt diese außerordentliche Machtbefugnis hat. Nachdem Padilla gegen diese Entscheidung am Obersten Gerichtshof Berufung einlegte, bestand die Möglichkeit, dass der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung aufheben könnte. Dadurch, dass Padilla schnell zum Angeklagten nach dem Strafrecht gemacht wurde, wurde dem Obersten Gerichtshof die Rechtssprechung für diese Angelegenheit entzogen. Dadurch blieb das Urteil des Berufungsgerichtes aufrecht.

Das heißt, dass die Regierung jetzt aufgrund der Entscheidung im Fall Padilla die legale Autorität besitzt, mit den Amerikanern das zu tun, was sie mit Padilla gemacht hat. Alles, was sie brauchen, ist eine entsprechende „Krise,“ und sie werden die gleiche Macht haben wie Mubarak – die Macht, welche Diktatoren die ganze Geschichte hindurch hatten.

Sicher könnte der Oberste Gerichtshof letztendlich dieses Urteil aufheben, aber das würde lange dauern, sicher mehr als ein Jahr – genügend Zeit, um als „Terroristen“ abgestempelte Menschen brutal zu foltern und zu misshandeln.

Es wurde gesagt, dass 9/11 die Welt verändert hat. Das stimmt eindeutig, wenn es um die diktatorische Macht des Präsidenten geht, Amerikaner zu verhaften, einzusperren, zu foltern und zu misshandeln. Fragen Sie Jose Padilla, der zuerst als „feindlicher Kämpfer“ behandelt wurde, durch unbefristetes Einsperren und Folter durch das Militär, und dann als Angeklagter nach dem Strafrecht 17 Jahre Freiheitsstrafe aufgebrummt kriegte, die jetzt als zu milde befunden worden sind.

 
     
  erschienen am 20. September 2011 auf > THE FUTURE OF FREEDOM FOUNDATION > Artikel  
     
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