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  Das amerikanische Imperium steht in Flammen

Eric S. Margolis 

Als ich mein letztes Buch darüber schrieb, wie Amerika sein Imperium im Mittleren Osten beherrscht, wählte ich den Titel „American Raj,“ da dieses Imperium so sehr dem entsprach, wie Großbritannien Indien beherrschte. 

Wie ich in dem Buch und in einer Kolumne hier im vergangenen April voraussagte (> s. Artikel), steht das amerikanische Mittel-Ost-Imperium jetzt in Flammen. 

Sehen wir zur Zeit eine Mittel-Ost-Version der Aufstände im Jahr 1989 quer durch Osteuropa, die die kommunistischen Regimes und dann die Sowjetunion zu Fall brachten? 

Sicher bestehen große Ähnlichkeiten zwischen dem alten Ostblock und der sich ausdehnenden Intifada im amerikanischen Mittel-Ost-Imperium. Korrupte, repressive Regierungen; habgierige Oligarchien; hohe Jugendarbeitslosigkeit und Stagnation; weit verbreitete Gefühle von Frustration, Hoffnungslosigkeit und Wut. 

Aber da gibt es auch einen großen Unterschied. Der prinzipientreue sowjetische Anführer Michail Gorbatschow und die kommunistischen Herrscher Osteuropas weigerten sich, die Gewehre ihrer Armeen gegen die rebellischen Völker einzusetzen. 

In Tunesien, wo der derzeitige arabische Aufstand begonnen hat, blieb die Armee bisher erstaunlich neutral. 

In anderen arabischen Staaten hingegen, in denen die Rebellion brodelt – Ägypten, Algerien, Jemen, Marokko, Libyen – könnte es keine derartige Zurückhaltung geben. Ihre brutalen Sicherheitskräfte könnten schnell die Aufstände zerbrechen, wenn nicht die Soldaten sich weigern, ihre eigenen Leute niederzuschießen – wie es in Moskau 1991 geschah. Man wird sehen. 

Washington beobachtet diese wachsende Intifada in seinem Mittel-Ost-Raj mit Beunruhigung und Verwirrung. Vergessen Sie die scheinheiligen Plattitüden, mit denen die Obama-Administration „Demokratie“ einmahnt. Alle die autoritären arabischen Herrscher, die jetzt in Bedrängnis sind, wurden seit Jahrzehnten von den Vereinigten Staaten von Amerika bewaffnet, finanziert und unterstützt. 

Das Tränengas, das gegen die Demonstranten in Kairo verschossen wird, trägt die Aufschrift „Made in USA.“ Die brutale, sadistische Geheimpolizei und andere Sicherheitskräfte in Marokko, Algerien, Ägypten, Jordanien und Jemen wurden alle ausgebildet und ausgestattet von den Vereinigten Staaten von Amerika. Die CIA brachte ihnen „Verhörtechniken“ bei, wie der iranischen Geheimpolizei Savak zur Zeit des Schahs. 

In einem weiteren Beispiel von schamloser Scheinheiligkeit fordert Außenministerin Hillary Clinton beide Seiten zu „Zurückhaltung“ auf. Man nimmt an, sie meint, dass die mit Knüppeln Geschlagenen, Vergewaltigten oder mit elektrischem Strom Gefolterten entsprechende Zurückhaltung zeigen müssten. Washington versteht einfach nicht, dass diese Art von Brechreiz erregender Scheinheiligkeit noch mehr Menschen in der muslimischen Welt gegen die Vereinigten Staaten von Amerika aufbringt. 

Wie schon seit langem in dieser Kolumne zu lesen ist Ägypten eine tickende Zeitbombe. Die Hälfte der 85 Millionen Ägypter leben mit weniger als $ 2 pro Tag unter der UNO-Armutsgrenze. Ein Drittel aller Bewohner der arabischen Welt sind Ägypter.

Hosni Mubarak hat Ägypten mit eiserner Faust seit 1981 beherrscht.

Jede Opposition gegen sein Regime wurde zerschmettert. Jetzt aber könnte Mubaraks Zeit abgelaufen sein. Nobelpreisträger Mohammed al-Baradei ist nach Ägypten zurückgekehrt, um Mubarak und seinen designierten Nachfolger, seinen Sohn Gamal herauszufordern. Auch der Chef der Arabischen Liga Amr Moussa könnte sich gegen Mubarak stellen. 

Bisher lobte Washington Mubarak für „weise Führung” und „Stabilität“. Die Vereinigten Staaten von Amerika zahlen Ägypten über $ 2 Milliarden jährlich, damit es Israel in Ruhe lässt, die Islamisten einsperrt und Hamas im Freiluftgefängnis Gaza hält. Der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika versorgt Ägypten mit der Hälfte seiner Ernährung. Seit Israel dem Kongress die Marschrichtung im Mittleren Osten vorgibt, übt es auch außerordentlichen Einfluss über Ägypten aus. 

Bisher hat keine der Intifadas in der arabischen Welt eine effektive Führung hervorgebracht. Aber das könnte sich bald ändern.  

Dank der Bombe „Palestine Papers“, die an al-Jazeera weitergeleitet worden war, wurde die Palästinenserbehörde unter Mahmoud Abbas als eifriger Kollaborateur mit Israel und dessen Okkupation der West Bank bloßgestellt. Die endlosen israelisch-palästinensischen „Friedensgespräche“ stellen sich als totaler Betrug heraus. Israels Mossad und seine palästinensischen Quislinge haben eng zusammen gearbeitet, um die demokratisch gewählte Hamas-Regierung in Gaza zu Fall zu bringen. 

Aus diesen Papieren erfahren wir auch, dass die Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika Condoleezza Rice 2008 den Vorschlag machte, Millionen palästinensischer Flüchtlinge nach Südamerika auszusiedeln. Das, nachdem Israel, finanziert durch die Vereinigten Staaten von Amerika, eine Million russischer Siedler importiert hatte, viele davon gar keine Juden. Man erinnert sich an die britischen Vorschläge in den 1930er Jahren, die gefährdeten Juden Deutschlands nach Kenia auszusiedeln. 

Das war Washingtons moderne Version der vom Steuerzahler der Vereinigten Staaten von Amerika finanzierten ethnischen Säuberung von Moslems und Christen aus dem Mittleren Osten. Es erstaunt kaum, dass diese Enthüllungen im ganzen Mittleren Osten Empörung erregt haben. 

Die „Palestine Papers” und WikiLeaks zeigen, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika immer die Partei Israels ergriffen und dessen Interessen und Politik verteidigt hat. Soviel zum Thema Washington als ehrlicher Vermittler.

Die von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützte Palästinenserbehörde hat ihren letzten Funken Glaubwürdigkeit verloren. Diese Neuigkeiten werden sicher die Flammen anfachen, die sich jetzt durch die arabische und in der Folge durch die muslimische Welt ausbreiten, wo die Menschen im vollen Ausmaß den Betrug an den Palästinensern realisieren.

Diese dramatischen Ereignisse werden von den meisten Nordamerikanern kaum verstanden. Die Medien der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas präsentieren die Nachrichten über die regionale Intifada im Schema des gekünstelten Krieges gegen den Terror, und als falsche Entscheidung zwischen diktatorischer „Stabilität“ und islamischem politischem Extremismus. Viel von dem, was passiert, wird aus der Sichtweise Israels dargestellt und ist stark verzerrt. 

Abgesehen von Plattitüden besteht in den Vereinigten Staaten von Amerika wenig Interesse daran, wirkliche Demokratie und eine moderne Gesellschaft in die arabische Welt zu bringen. Washington will Gehorsam, nicht Pluralismus, in seinem Mittel-Ost-Imperium. Wie schon beim britischen Empire ist Demokratie fein für zuhause – aber nicht geeignet für die Nationen der arabischen Welt. 

 
     
  erschienen am 28. Januar 2011 auf > ericmargolis.com   
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