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  Der nächste Krieg

Robert Koehler 

„Ich werde Menschen töten. Ich gehe zu den Marinesoldaten und werde das im wirklichen Leben tun.“

Krieg auf allen Seiten. Vergleichen Sie die Worte des 18jährigen Burschen, dessen obige Äußerung von der Radiostation WRTI in Philadelphia zitiert wurde, als er in einem Videospiel-Salon/Armee-Rekrutierungszentrum in einem Einkaufszentrum in Philadelphia mit einem Spielzeug-Maschinengewehr hantierte, mit denen von zwei Neokonservativen, Charles Robb und Charles Wald (Senator bzw. General im Ruhestand), die im vergangenen Monat in der Washington Post schrieben:

„Wir können es uns nicht leisten, unbegrenzt zu warten, um die Effektivität von Diplomatie und Sanktionen herauszufinden ... Stattdessen muss die Administration ihre Vorgangsweise intensivieren und dem iranischen Regime und dem amerikanischen Volk klar machen: Wenn diplomatische und wirtschaftliche Druckmittel den Iran nicht dazu bewegen, sein Nuklearprogramm einzustellen, verfügt das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika über das Potential und ist darauf vorbereitet, einen wirkungsvollen gezielten Angriff gegen Teherans nukleare und militärische Einrichtungen zu führen.“  

Wir müssen handeln, die Zeit läuft uns davon, fügen sie hinzu, indem sie an der Angstschraube drehen und den Druck hochfahren wie gute Gebrauchtwagenverkäufer. Iran könnte bis Jahresende eine Atombombe haben, warnen sie, ohne einen Beweis für diese Behauptung anzuführen. Beweis? Sie heulen nur: „Wir wollen nicht, dass aus der rauchenden Pistole ein Atompilz wird.“

Mit Admiral Mike Mullens mehrdeutigem Zugeständnis vor einigen Tagen in „Meet the Press“, dass das Militär in der Tat einen Plan für den Einmarsch in den Iran hat, der für den Einsatz bereit steht, hat „der nächste Krieg“ begonnen, plötzlich in den Medien Gestalt anzunehmen. Kein öffentlicher Einsatz erforderlich! Wir hier sind die Zuschauer. Halten Sie sich bereit. Wir werden ihn Ihnen live servieren. 

Natürlich – natürlich! – fehlt in jeder Diskussion einer militärischen Lösung für die nukleare Unnachgiebigkeit des Iran: A) die leiseste Besinnung auf den katastrophalen Sumpf der laufenden Kriege, die als kurzfristige Einsätze verkauft worden waren, um unmittelbare Bedrohungen zu beseitigen (die, wie sich im Fall des Irak herausstellte, gar nicht existierten); B) jegliche Einschätzung des Schadens, den wir den Afghanen, den Irakern oder uns selbst zugefügt haben, oder der Multi-Billionen-Dollar-Kosten dieser Debakel; C) jegliche Reflexion unserer eigenen Scheinheiligkeit (wir besitzen 5.115 Atomsprengköpfe, unsere Alliierten einschließlich Israels etwa weitere tausend), oder ein Nachdenken über die Logik der iranischen Selbstverteidigungsüberlegungen, etwa dahin gehend, dass, wenn sie wirklich eine Atombombe haben, die Vereinigten Staaten von Amerika sie nicht so leicht angreifen und in ihr Land einmarschieren werden.

Was wir statt dessen bekommen, ist das Äquivalent zu dem naiven 18-jährigen Marine-Möchtegern im Anlock-, ich meine Rekrutierungszentrum in Philadelphia auf höherer, akademischer Ebene. Wirkungsvolle gezielte Angriffe! Das wird großartig sein!

Was mir aber größere Sorgen bereitet als Kommentare der Neokonservativen ist der Eindruck der Unvermeidlichkeit – in der Tat der Ehrerbietung – der in der „objektiven“ Berichterstattung der Mainstream-Medien über den Krieg zu finden ist, besonders über den Krieg, der noch nicht stattgefunden hat. Das unausgesprochene Verständnis ist, dass die Entscheidung über den Krieg auf hoher Ebene im Interesse der Öffentlichkeit getroffen wird, aber völlig losgelöst von deren Anliegen oder Wünschen.

In einem Aufsatz in AlterNet im März schrieb Frank Joyce: „Dank der verdrängenden Macht der transnationalen Konzerne hat die Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika vor einiger Zeit ‚ihren Höhepunkt überschritten.'“

Ich fürchte, dass er recht hat. Der militärisch-industrielle Konsens hat kein Interesse an demokratischen Beiträgen. Man denke an die Hilflosigkeit sogar Dwight Eisenhowers, dessen berühmte Warnung vor dem militärisch-industriellen Komplex in seiner Abschiedsrede kam, als er die Zügel der Macht übergab. Er machte diese Äußerung als privater Bürger, nicht als gewählter Politiker mit einem Plan, diesen einzuschränken. 

Ein wenig diskutierter Gehilfe des militärisch-industriellen Komplexes ist die Unterhaltungsindustrie, die sich in den 50 Jahren, seit Eisenhower zu Wachsamkeit aufrief, tief in die amerikanische und globale Psyche eingegraben und Gewalt zu einer immer unterhaltsameren Abstraktion gemacht hat. So erzeugt die Ankündigung jedes neuen Krieges nicht eine Welle des Schreckens, sondern der Erregung. 

„Eine Kultur des Tötens und der Gewalt wurde im menschlichen Bewusstsein verankert,“ schreibt Michel Chossudovsky. Das heißt, dass ein Dritter Weltkrieg, vielleicht ausgelöst durch eine Invasion des Iran durch die Vereinigten Staaten von Amerika, möglich ist.

Aber da gibt es eine latente Gegenkraft zu all dem obigen. Die industriellen Kriege des letzten Jahrhunderts haben ein außergewöhnliches Rückschlags-Problem für die globalen Kriegsprofiteure hervorgerufen. In den Vereinigten Staaten von Amerika wagen wir es nicht, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Die Wehrpflicht war nicht nur ein entscheidender Punkt für die Antikriegsbewegung, sondern die Armee der Wehrpflichtigen rebellierte schlussendlich gegen den Krieg und brachte ihn zu einem Ende. Es gibt eine riesige Bewegung gegen den Krieg in den Vereinigten Staaten von Amerika und weltweit, die auf einen einzigen zündenden Funken wartet, um sich im 21. Jahrhundert zu offenbaren. 

Ich hoffe inbrünstig, dass das eher früher als später passiert – dass die reine Drohung mit einer Invasion in den Iran genügt, um den Konsens der Kriegstreiber zu zerschmettern. Entreißen wir die Weltpolitik den Händen der Profiteure! Besinnen wir uns auf unsere Demokratie, bevor es zu spät ist!

 
     
  Erschienen am 7. August 2010 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/robert-koehler/2010/08/06/the-next-war-2/   
     
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