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  Ressourcen frei machen … für mehr Krieg

Norman Solomon

Stunden nach Präsident Obamas Rede vor der gemeinsamen Sitzung des Kongresses druckte die New York Times die Neuigkeit, dass er plane, „amerikanische Streitkräfte“ schrittweise während der nächsten 18 Monate aus Irak abzuziehen. Die Zeitung berichtete, die Vorteile dieses Rückzuges werden unter anderem beinhalten „die Minderung des Druckes auf die bewaffneten Kräfte und eine Freisetzung von Ressourcen für Afghanistan.“

Die Rede des Präsidenten gab nicht viel Auskunft über die geplante Eskalation, aber die wenigen Worte werden uns noch lange verfolgen: „Mit unseren Freunden und Verbündeten werden wir eine neue und umfassende Strategie für Afghanistan und Pakistan entwickeln, um al-Qaeda zu besiegen und Extremismus zu bekämpfen, weil ich nicht zulassen werde, dass Terroristen in sicheren Zufluchtsorten rund um den halben Erdkreis Anschläge gegen das amerikanische Volk schmieden. Wir werden das nicht zulassen.“

Obama erwähnte nicht die zusätzliche Anzahl von U.S.-Soldaten – 17.000 – die er gerade nach Afghanistan abkommandiert hat. Aber sein Versprechen, er werde „nicht zulassen, dass Terroristen Anschläge gegen das amerikanische Volk schmieden“ und seine tönende Erklärung „Wir werden das nicht zulassen“ kamen unmittelbar vor dieser Aussage: „Während wir uns heute abend hier treffen, halten unsere Männer und Frauen in Uniform im Ausland Wache und weitere bereiten sich auf ihren Einsatz vor.“ 

Verstanden? In seiner ersten Rede vor dem Kongress warf der neue Präsident einen 90 Monate alten Fehdehandschuh hin und bestärkte aufs Neue die Meinung, dass Krieg führen um den halben Erdkreis – in Afghanistan und jetzt auch in Pakistan – den Amerikanern mehr Sicherheit bringen wird. Mit derartigen Trommelwirbeln könnte diese Mission uns alle überleben.

Und so schwankt ein kolossaler und verhängnisvoller Fehler dahin, begangen von einem sehr klugen Führer, wohl unserem besten und hellsten, unterstützt von einem Schweigen, das alles nur zu bereitwillig der Macht überlässt. So eskalierte auch der Krieg in Vietnam, während Individuen und Gruppen ihre Stimmen dämpften. Viele Menschen werden das mit ihrem Leben bezahlen.

Die Gründe dafür, dass der Krieg in Afghanistan nicht gewonnen werden kann, hängen direkt damit zusammen, dass dieser Krieg falsch ist. Grundsätzlich mögen Menschen nicht, dass ihr Land jahrelang besetzt wird, besonders wenn die Besatzer routinemäßig Zivilisten töten (egal mit welcher Begründung). Schwarz-Weiss-Begriffe wie „Taliban" und „Terroristen“ klingen recht schön und klar genug, wenn sie in den Medien erscheinen oder wenn sie aus dem Mund des Präsidenten ertönen, aber in der realen afghanischen Welt kommen die Menschen im Widerstand gegen den Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika aus vielen Bereichen und sind weit verbreitet. Mit jedem Geschosseinschlag, der eine Wohnung in Brand setzt oder ein Dorf terrorisiert, können sich die wirklich unerbittlichen „Extremisten“ über Uncle Sams Unterstützung ihrer Rekrutierungsbemühungen freuen.

Diejenigen, die darauf versessen sind, über Präsident Obamas bewundernswert progressive Werte zu reden und zu schreiben, werden früher oder später nicht umhinkommen, sich mit den Besonderheiten seiner tatsächlichen Politik zu beschäftigen. In der Außenpolitik gehört dazu die unheilverkündende Verbindung zwischen seiner Anti-Terrorismus-Rhetorik und seiner erklärten Absicht, die kriegerischen Anstrengungen der Vereinigten Staaten von Amerika in Afghanistan zu verstärken. 

Ich mache nur selten Vorhersagen, aber dieser einen bin ich mir sicher: Innerhalb weniger Jahre werden einige Kongressabgeordnete und die Anführer einiger progressiver Gruppierungen mit langen e-mail-Listen mit Bedauern zurückblicken, wenn sie ihren Fehler erkennen, nicht klar und offen gegen die entscheidende Eskalation des Krieges gegen Afghanistan aufgetreten zu sein. 

Sie könnten sich eine Menge Schande ersparen und vielen anderen das Leben retten, je früher sie dagegen auftreten. Dadurch würden sie sehr wohl auch der Präsidentschaft Obamas helfen, damit diese nicht in Afghanistan auf Grund läuft.  

   
     
  erschienen auf www.antiwar.com am 26.02.2009  > http://www.antiwar.com/solomon/?articleid=14310  
     
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